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Wirtschaftszweig Tourismus in Coronazeiten

Kunst in Coronazeiten - War wirklich Alles schlecht?...

Prof. Georg Steiner

Teilnehmer des Kunstprojekts #kuico- Georg Steiner

Prof. Georg Steiner

Ehemaliger Tourismusdirektor der OÖ Landeshauptstadt Linz

Fotografie: ©mesic

Auch wenn wir nicht richtig barrierefrei sind hier auf unserer Website, so versuchen wir doch, auch Sehbehinderten einen Zugang zu unserem Projekt zu geben. Und deshalb könnt ihr über Klick auf den orangenen Pfeil die Statements über den externen Audioplayer Soundcloud nun auch hören. Viel Spaß!

 

Kunst und Corona – Wo stecken die Mutationen für Kultur und Tourismus?

Niemand ist vor Corona sicher. Und wenn man geglaubt hat, Corona wäre etwas zurückgedrängt, dann haben uns neue Mutationen weiter vor uns hergetrieben. Was die Natur damit letztlich verfolgt, werden wir nicht abschließend beantworten können. Aber Hinweise dürfen abgeleitet werden – vielleicht in folgenden Richtungen:

Die Zusammenhänge in allen Bereichen sind beeindruckend dokumentiert worden – die Welt ist eins. Das Virus erreicht arm und reich. Je mehr sich die Welt von natürlichen Prozessen, vom menschlichen Maß (Stichworte: Produktion der Nahrungsmittel, Destinationen und Umwelt überlastende Reiseformen, das Ignorieren menschlicher Zyklen in Geschwindigkeit, Wochen- und Jahresabläufen, die Fixierung auf materiellen Reichtum vs. geistiges und seelisches Wachstum etc.) entfernt hat, um so härter wurde sie, wurden die Menschen nun getroffen.

Was das für den Tourismus heißt, habe ich zum diesjährigen Welttag der Fremdenführer in einem Linkedin-Posting zusammengefasst:

Vom Besichtigen zum Begegnen, so meine These. Es geht um die In-Wertsetzung unserer Städte und Destinationen.
Alexa und Siri wissen mehr als jeder Guide. ‚Wikipedia auf zwei Beinen“ reicht nicht mehr.  Nur der Blick zurück, Führungen mit viel Geschichte wird den Ansprüchen der Menschen nicht gerecht.
Was brauchen unsere Gäste?

„Menschen, nicht die Häuser sind die Stadt“, so der Grieche Perikles.
Will man heute noch „Tourist“ sein? Sie sind in der Wahrnehmung Einheimischer jene Menschen, die unpassend – ob in Kleidung, Lautstärke, kulturellen Erscheinungsformen – in Massenphänomenen und tendenziell oberflächlich viele Orte unserer Welt prägen. 
Die Akzeptanz solcher ‚Touristen’ sinkt!
Individueller, persönlicher, authentischer, spielerischer, hybrider, poetischer und lebendiger – so der Anspruch an Führungen, an den Tourismus. Weniger Wissensvermittlung und mehr Aufwerfen interessanter Fragen.
Weniger Details, mehr Narrative – und: Es darf mehr Authentizität gewagt werden.
Erlebnisorientierung, humorvoller, aber kein Clown. Erlebnisse entstehen bei Begegnungen, Berührungen – mit Menschen, regionalen Produkten und Kultur. Tourismus und speziell Führungen sollen die Gäste begeistern im Sinne von Resonanz. Und die Bewohner wollen stolz auf das sein, was über ihre Stadt erzählt wird. Sie und ihre Wohnungen bzw. Häuser wollen mehr sein, als eine Disney-artige Kulisse für die „Fremden“. Tourismus soll mehr mit dem Leben der Stadt verschmelzen und weniger Zusatzstress sein.

Und damit wird Kunst und Kultur wichtiger werden! Weniger als museale Präsentation, sondern als Erweiterung der Möglichkeiten, Resonanz und Erlebnisse zu erzeugen die Menschen nachhaltig zu prägen, zu überraschen, zu verändern.

Begegnungen, Gespräche, Performance, Interaktion – dabei kann Kunst und Kultur mit Führungen, mit der Aufenthaltsgestaltung von Gästen verschmelzen. Es geht um alle Sinne und es geht darum, Menschen etwas mitzugeben – nicht im Sinne eines austauschbaren Souvenirs, sondern im Sinne eines nachhaltigen Impulses, im Sinne von Genüssen, von Neuem. Und dabei geht es eben nicht primär um Intellektuelle, um die ohnehin schon offenen und neugierigen Menschen. Es geht um all jene Menschen, die zu sehr im Trott des Alltags verhaftet sind, die abgestumpft sind, die in Routinen leben. Sie sind die eigentliche Herausforderung für den Tourismus. „Linz verändert“, so heißt der Slogan der OÖ Landeshauptstadt Linz seit dem Jahr der Kulturhauptstadt Europas 2009.

Reisen soll ein Veränderungserlebnis sein. Reisen soll begeistern und zu neuen Erkenntnissen führen. Und Reisen soll gierig machen für Neues – neugierig anstatt immer nur nach dem Suchen lassen, was man schon kennt. Wohin die Sattheit vom Alten, vom Bekannten, von Routinen führt – von der Jagd nach Sonderangeboten – ob Möbel oder billiges Fleisch über einlullende TV-Formate bis zu unreflektierter Mediennutzung – hat Corona und unser Umgang damit gezeigt. Wir haben die Chance, uns neu zu besinnen. Reisen, Tourismus kann zu einem Game-Changer werden. Aber dazu müssen die Akteure selbst erst mal zu dieser Einsicht kommen. Und dazu bedarf es neuer Allianzen zwischen Kunst, Kultur und vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft – von der Kulinarik bis zum Verkehrwesen.

Prof. Georg Steiner – Tourismusdirektor der OÖ Landeshauptstadt Linz

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