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Christa Gottinger

Kunst in Coronazeiten - War wirklich Alles schlecht?...

Februar 2021

Christa Gottinger
Kunsthandwerkerin
„Die offene Werkstatt“
Handbemaltes Porzellan-
Extravagantes in Glas

lebt in Passau

www.dieoffenewerkstatt.de/


Nach der Jahreswende 2019/2020 und einigen ruhigen Familientagen habe ich richtig Lust, wieder in meiner Werkstatt zu arbeiten.


Anfang Februar 2020:
Es kommen erste Bedenken auf, ob es überhaupt eine Saison geben wird. Ein neues Virus breitet sich explosionsartig aus, die für mich so wichtigen Kreuzfahrttouristen werden nicht vor der 2. Jahreshälfte kommen. Bis dahin hofft man es im Griff zu haben.


Anfang März 2020:
Der erste Lockdown wird beschlossen. O.k., ist sowieso die „staade Zeit“ in der Höllgasse. Ich habe Geburtstag. Nur unsere Tochter darf kommen, keine weitere Familie, keine Freunde. O. k., ist ja kein runder.

April /Mai 2020:
Geschäfte, Restaurants, Clubs geschlossen. Das Leben kommt nahezu zum Stillstand.

Ich gehe mit Maske (was für ein blödes Gefühl!) einkaufen und wundere mich, dass das Personal im Geschäft keine trägt. Dabei ist es doch klar, dass AHA Regeln sinnvoll sind.

Mein Widerspruchsgeist wehrt sich, als nach und nach auch ziemlich unsinnige, nicht zielführende Vorgaben von der Politik gemacht werden.

Mein Mann und ich lernen die tollen Wanderwege in unserer Gemeinde schätzen. Waren immer zu nahe um sie zu gehen, hat man ja immer noch Zeit. Der erste prominente Gemeindebürger stirbt an Corona. Doch nicht nur eine etwas harschere Grippe? Mir wird mulmig.

Mein Mann feiert seinen 70. Geburtstag im kleinen Kreis, nur mit der engsten Familie. Als Zuckerl habe ich ihm ein Gartenständchen von der Passauer Künstlerin Christiane Öttl geschenkt. Den Kulturschaffenden sind ja so gut wie alle geplanten Auftritte weggebrochen. Sie freut sich, ich tue ein gutes Werk. Es ist ein schöner Geburtstag, auch ohne Ramba Zamba. Ich glaube, mein Mann ist gar nicht so böse, dass das Fest ausfallen „musste“.

Christa Gottinger – Zeichnung „Der kleine Prinz“

Auch wenn wir nicht richtig barrierefrei sind hier auf unserer Website, so versuchen wir doch, auch Sehbehinderten einen Zugang zu unserem Projekt zu geben. Und deshalb könnt ihr über Klick auf den Pfeil die Statements nun auch hören. Viel Spaß!

Audio-Datei is coming soon…..

 

Juni /Juli /August/September 2020:
Der Sommer ist da und lässt Erleichterungen zu.
Also schnell einige Tage an den See, der Campingplatz hat ein sehr gutes Hygienemanagement, wir fühlen uns sicher. Und ich darf meine Werke dort anbieten. Mein Konto jammert nicht mehr so laut. Langsam kommen auch wieder ein paar Touristen, aber keine Flusskreuzfahrt, keine Gruppenführungen, das fällt für den Rest des Jahres flach. Manche Leute tun so, als ob alles wieder „normal“ wäre. Die Warnungen vor der 2. Welle treffen weitgehend auf taube Ohren.

Oktober /November 2020:
Die 2. Welle ist im Anmarsch und die Politik reagiert hektisch, panisch, überzogen. Wieso soll ich jetzt in menschenleeren Gassen Maske tragen? Wieso muss wohl mein Lieblingslokal wieder schließen, obwohl sie sich so viel Mühe mit dem Hygienekonzept gemacht haben?

Ich ärgere mich sehr über den oft sinnlosen Aktionismus und arbeite den Ärger in der Interpretation eines Zitats aus dem kleinen Prinzen aus („Was für ein merkwürdiger Planet! Er ist ganz trocken, voller Spitzen und ganz salzig. Und den Menschen fehlt es an Fantasie. Sie wiederholen, was man ihnen sagt“, siehe Foto). Das macht viel Arbeit, danach fühle ich mich besser.

Alle geplanten Weihnachtsmärkte sind abgesagt. Wie soll ich mir das nötige Polster für Januar bis Ende März schaffen, wo in der Höllgasse nichts los ist?


Dezember 2020/Januar 2021:
Die Infektionen steigen rasant, die Daumenschrauben werden mehr und mehr angezogen – erneuter Lockdown.


Was ist der Unterschied zwischen Essen to go und Ware to go?

Mein Widerspruchsgeist rebelliert und ich verstoße gegen das Gesetz. Hat nicht auch der Dalai Lama gesagt :“Lerne die Regeln, damit du weißt wie du sie brichst.“?
Ich beschließe, einen Onlineshop einzurichten, wovon ich nicht sehr überzeugt bin, da meine Unikate vom direkten Augenschein leben. Aber, es funktioniert, wenn auch nur tröpfelnd.

Trotz strikter Vorgaben steigen die Infektionen weiter, in den Pflegeheimen sterben die Alten und Schwachen. Ich bin wütend, weil hier viel zu wenig unterstützt wird – aber dort, wo es um viel Geld geht, spielt Corona keine Rolle!

Silvester zum ersten Mal seit nahezu 50 Jahren mit meinem Mann allein zuhause! Wir sehen es als Abenteuer und haben jede Menge Spaß, tauschen mit Familie und Freunden Fotos mit den gekochten oder bestellten Köstlichkeiten. Kein wildes Geballere um Mitternacht, wie schön! Sicher, die gewohnte Feier mit Freunden fehlt, aber es geht uns allen gut, das zählt.

In der Werkstatt habe ich weder Lust aufzuräumen, noch viel zu arbeiten. Irgendwie habe ich meine Energie verloren. Ich ärgere mich darüber, kann aber nichts dagegen tun.

Wir leben in Haus und Garten auf dem Land, müssen uns nicht mehr mit homeoffice, homeschooling und all diesen Dingen herumschlagen. Wir sind nicht sehr eingeschränkt und haben keine existentiellen Sorgen. Warum also dieser Energieverlust, wo ich doch eigentlich eine Macherin, ein Temperamentsbolzen bin? Ein Luxusproblem?

Auch wenn wir schon vorher sehr bewusst und nachhaltig gelebt, übertriebener Konsum und Fernreisen keine Rolle gespielt haben – aber wir hätten können, wenn wir gewollt hätten! Das ist der große Unterschied. Es ist die Trauer um den Verlust der Selbstverständlichkeit, der auch mir, glaube ich, schwer zu schaffen macht.