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Schule in Coronazeiten

Kunst in Coronazeiten - War wirklich Alles schlecht?...

Gunther Rankl

Teilnehmer des Kunstprojekts #kuico- Gunther Rankl

Staatl. Schulpsychologe aus
Tiefenbach bei Passau

Auch wenn wir nicht richtig barrierefrei sind hier auf unserer Website, so versuchen wir doch, auch Sehbehinderten einen Zugang zu unserem Projekt zu geben. Und deshalb könnt ihr über Klick auf den orangenen Pfeil die Statements in dem externen Player Soundcloud nun auch hören. Viel Spaß!

„Eigentlich braucht jedes Kind drei Dinge: Es braucht Aufgaben, an denen es wachsen kann. Es braucht Vorbilder, an denen es sich orientieren kann. Und es braucht Gemeinschaften, in denen es sich aufgehoben fühlt.“ (Gerald Hüther)

Ein winzig kleines Virus sorgt dafür, dass der Schulbetrieb von heftigen Turbulenzen erschüttert wird. Trotz dieser Unbill sehe ich eine hohe Flexibilität von Schule, einer bisweilen als rigide kritisierten Institution. Das E-Learning hat einen deutlichen Schub erhalten, digitale Konzepte, praktikable Organisations- und Interaktionsformen werden im Eiltempo weiterentwickelt, das Schulpersonal schiebt Sonderschichten.  
Während der Pandemie zeigt sich der überaus hohe Stellenwert von Bildung und Erziehung, befördert jedoch auch schonungslos Defizite und Versäumnisse auf verschiedensten Ebenen ans Tageslicht.

Kinder und Jugendliche, die kein förderliches Elternhaus haben, körperlich oder geistig beeinträchtigt sind, nur unzureichend lesen können, beim Lernen auf persönliches Lob angewiesen sind, Deutsch nicht als Muttersprache sprechen oder über keine adäquate technische Ausstattung verfügen, sind in Zeiten von Corona gleich mehrfach gehandicapt.


Manche Schüler*innen nehmen die gebotenen schulischen Hilfen an, halten mit dem Lernpensum Schritt. Diejenigen aber, die aufgrund fehlender Unterstützung oder Überforderung frustriert sind und kein soziales „Auffangbecken“ haben, tauchen ab. Eine Mittelschullehrerin berichtete mir von Kindern, die im wahrsten Sinne des Wortes „von der Bildfläche verschwinden“ und einem Vater, der die Digitalisierung strikt boykottiere.

Mit Blick auf die emotional-soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind viele Dinge, die Schule bunt, fröhlich und lebendig machen, Corona zum Opfer gefallen. Die Heranwachsenden vermissen Schule als sozialen Ort, als Forum von Begegnungen mit ihren Freunden und Lehrkräften.


Wie durch ein Brennglas vergrößert, werden Schwachstellen unseres Schul- und Bildungssystems deutlich. Die bereits vor der Krise vorhandene geringe Chancengleichheit sinkt weiter ab, das Auseinanderklaffen der Bildungsschere beschleunigt sich und Resignation, speziell in Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status, bricht sich Bahn. Belastete Kinder erleben belastete Erwachsene mit wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Ich sehe panische, infolge existenzieller Bedrohung verzweifelte Eltern, Orientierung suchende Kinder, gestresste Kollegien, Angst und Überforderung im Management der Schulen. Akute Personalnot in Bildungseinrichtungen und ein Mangel an Unterstützungssystemen  potenzieren die Wucht der Krise in der Krise. Ist die „Corona-Krise“ „nur“ eine gesellschaftliche Krise oder ist sie auch eine „schulische Krise?“

Kennzeichen von Krisen sind geprägt von massiver Instabilität eines Individuums oder eines sozialen Systems, begleitet von Handlungslähmung und Verlust des Sicherheitsgefühls. Negative Emotionen, Ängste und Betroffenheit manifestieren sich, gewohnte Strategien versagen. Unwägbarkeiten treiben Erzieher, Eltern und Heranwachsende um und quälende Fragen, wie etwa: „Was wird mit mir als Person, meiner Familie, wie geht es mit Schule weiter?“, drängen sich auf. Alles Indizien und Prozesse, die auch im Kontext schulischer Krisen virulent sind.


Die „Nachwehen“ der Corona-Pandemie werden, über alle Generationen hinweg, ein breites Spektrum an sozialen, emotionalen und ethischen Effekten zeitigen. Da in einer globalisierten Gesellschaft existentielle Krisen auch künftig nicht auszuschließen sind, sollten wir mit Nachdruck an Konzepten arbeiten, die Familien in diffizilen Lagen entlasten und das Wohlergehen der Kinder in den Fokus nehmen. Es geht um die demokratische, soziale und wirtschaftliche Stabilität unserer Gesellschaft.

Hehre Ziele, die ohne solidarisches Verhalten nicht realisierbar sind. Nach Corona werden wir uns der Frage stellen müssen, wie wir mit Schule umgegangen sind. Ich denke, ein Teil der Antwort liegt darin, wie wir als Gesellschaft grundsätzlich in Krisen agieren. Ignorieren wir die Menschen um uns herum oder lassen wir uns von altruistischen Motiven leiten?

Letzten Endes alles eine Frage des Charakters!

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