Bavaria, Germany, Europe
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Hubert P. Klotzeck

Kunst in Coronazeiten - War wirklich Alles schlecht?...

Dezember 2020

Kuico-Projektteilnehmer Hubert P. Klotzek

Hubert P. Klotzeck
Fotograf, Galerist, Fine-Art Printer
lebt in Eichstätt

Porträt von Conny Mirbach
www.galeriebildflaeche.de
Rotes-Rauschen-Ein Tagebuch


Auch wenn wir nicht richtig barrierefrei sind hier auf unserer Website, so versuchen wir doch, auch Sehbehinderten einen Zugang zu unserem Projekt zu geben. Und deshalb könnt ihr über Klick auf den Pfeil die Statements nun auch hören. Viel Spaß!

Gerüstet mit Strategien irgendwo zwischen Ironie, Fatalismus, Solidarität und dem Versuch, die Angst klein zu halten, erleben wir eine Zeit, in der wir auf keine eingeübten Verhaltensregeln zurückgreifen können.

Vorsichtsmaßnahmen, ungelenke Ersatz-Grußrituale, Krisenmeldungen und Live-Ticker prägen einen Alltag, wie wir ihn noch nie erlebt hat. Künstler:innen und Kreative halten ihre Wahrnehmungen und Empfindungen im Projekt KUICO während der Coronavirus-Pandemie in einem gemeinsamen digitalen Gedankenstrom fest – auf dass ein Dokument von diesem außergewöhnlichen Abschnitt der Geschichte bleibe.
Herzlichen Dank an Eva Leopoldi für dieses ganz besondere Projekt.


Logbuch “Rotes Rauschen” – Audio-Datei is coming soon…

Hubert P. Klotzeck | 9.03.2020 | 17:23 U (Facebook Beitrag)
Ein Sonntagsspaziergang …
heile Welt, alles scheint gut zu sein. Es geht uns bestens, wir haben alles was wir für ein glückliches Leben brauchen, die Sonne scheint, das Jahr erwacht und die Tage werden wieder länger.
Wir wandern gemütlich, irgendwo, auf alten, vergessenen Gleisen auf denen schon lange kein Zug mehr fuhr.
Ein Wind kommt auf, ein Rauschen, eine Wucht baut sich hinter uns auf – und als wir uns umsehen, kommt da ein unaufhaltsamer Koloss, schnaubend und unbeirrbar auf seinen alten Gleisen auf uns zu …
So fühlt es sich gerade an in mir und ich mache mir Sorgen um unsere heile Welt.
Montag …

Hubert P. Klotzeck | 12.03.2020 | 20:00 (Facebook-Beitrag)
Ein Wochentags-Spaziergang … vor dem Sturm …
Diese Zeit gerade ist so “eigenartig” und schon jetzt liegt eine ungewöhnliche Stille über der Stadt und unserer Welt. Auf den Straßen nur noch wenige Menschen, wenig Verkehr, eine gewisse Leere tut sich auf.
Man spürt und sieht förmlich wie wir Menschen uns auf das Unbekannte vorbereiten und merkt doch auch, dass wir gar nicht so recht wissen wie wir das tun sollen.
Ich werde versuchen meine Empfindungen während dieser Zeit in Bildern festzuhalten und frage mich gerade wie wir Menschen das verarbeiten, dokumentieren, festhalten, damit umgehen oder auch vergessen können was gerade um uns herum passiert.
Eine vage Idee die letzten Tage war, zusammen mit anderen Menschen, dies künstlerisch, literarisch, in Bildern, Filmen, Klängen etc. festzuhalten. Nur die Form … ich hab noch keine klare Vorstellung. Aber dass es sein sollte, das weiß ich – zumindest für mich.
Schreibt mir vielleicht wenn ihr Ideen habt, ich selbst werde auch weiter nachdenken.
Bleibt mutig und doch achtsam!
Donnerstag …

Hubert P. Klotzeck | 13.03.2020 | 10:23
Seit einigen Tagen überlege ich, wie wir diese Zeit, diese Krise, diese “weltbewegende” Situation verarbeiten, bearbeiten, relativieren, überstehen, behandeln und auch dokumentieren können. So entwickelt sich gerade die Idee einer Art Tagebuch “Rotes Rauschen”.

Der Begriff steht für mein inneres Bild für diese Pandemie die wir gerade anfangen zu erleben. Künstler, Kreative, Musiker, Literaten und andere Freigeister lade ich ein, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Mit regelmäßigen, sporadischen oder auch einmaligen Beiträgen, die hier chronologisch abgelegt werden und vielleicht ein Bild aufzeigen kann was gerade passiert. Es können Textbeiträge sein, Film, Musik, Literatur, Prosa, Fotografie, Malerei, Grafik, Zeichnungen, Installationen und Performances …
Bleibt mutig und achtsam, bleibt gesund! Hubert

Hubert P. Klotzeck | 13.03.2020 | 22:00
Ich träumte … dachte ich. Gerade hatte ich einen Moment, in dem mir klar wurde dass dies alles real ist was gerade passiert. Länder werden abgeriegelt, Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden, die Nachrichten überschlagen sich, Expertenmeinungen, Ausnahmezustand überall.
Ich warte jeden Augenblick darauf dass ich aufwache doch, ich bin schon wach.

Hubert P. Klotzeck | 15.03.2020 | 22:19
Es dauert Tage bis sich das, was gerade passiert, auch nur im Ansatz irgendwo in mir manifestiert. Meist ist es so wie das Gefühl am Ende eines Traums in dem man Realität und Traum nicht mehr trennen kann. Und wenn man aufwacht, folgt einem das Gefühl dieses Traums den ganzen Tag …
So sitze ich gerade im Studio und suche mit hypnotischen
Sequenzen dieses Gefühl …
https://soundcloud.com/user-93689262/rotes_rauschen_1

24.03.2020 | Hubert P. Klotzeck
Es war der 24.03.1980. Nach der Schule ging ich ins Geschäft zu meiner Tante, wie meist wenn meine Mama im Krankenhaus war. “Hedi stirbt, Hubert”, sagte meine Tante und fragte mich ob ich noch mitfahren möchte nach Großhadern um meine Mama zu verabschieden.
Ich verstand es nicht und schrie sie an, dass sie wohl verrückt wäre und das nicht stimmen könne. Keiner hat mir bisher gesagt, dass es so um meine Mutter steht, ich hätte es wohl auch niemandem geglaubt. Einen Tag zuvor hatten meine Mama und ich noch gestritten beim sonntäglichen Besuch im Krankenhaus. Sie sagte, dass ich ins Internat muss und ich war furchtbar wütend – ich verstand es einfach nicht und wir gingen im Streit auseinander.
Ich fuhr nicht mit in die Klinik nach dem was mir meine Tante sagte. Ich packte meine Sachen und ging in den Plattenladen nebenan, kaufte Marianne Faithfulls “Broken English” und ging zu Mc Donalds. Dort wartete Aylan auf mich, ich hatte das erste mal in meinem Leben, mit 13, ein Rendezvous mit einem Mädchen. Ich sagt ihr, dass ich nicht bleiben kann, meine Mama würde wohl sterben und ging.
Dann ging ich nach Hause, alleine. Legte die Platte auf, drehte so laut auf als es ging und stellt mich auf den Balkon, kein Gefühl in mir.

Sie war schon gestorben als meine Tante in Großhadern angekommen ist. Sie sah ganz weich und zart aus, die Krankenschwestern hatten ihr zwei Zöpfe geflochten, erzählte mir meine Tante viele Jahre später. Meine Mama war 36 Jahre alt als sie starb und kämpfte 5 Jahre gegen
den Krebs.

24.03.1980 – nun waren fast alle gestorben. Drei Monate zuvor, im Dezember 1979 starb mein Vater mit nur 38 Jahren, alleine in seiner kleinen Wohnung. Bis heute weiß ich nicht an was genau er starb, er war zuckerkrank und Trinker. Er war selbst schon als Waisenkind aufgewachsen.
Ein Jahr nach meiner Mutter starb mein Stiefvater, Trinker, nierenkrank … er war ebenfalls keine 40.
Meine Großmutter mütterlicherseits starb mit 54, ihre Eltern starben mit Mitte 20, an Lungentuberkolose.

Ich weiß nicht wie ich diesen kurzen Abriss meiner frühen Lebensgeschichte bezeichnen soll – “Seuche” denke ich die ganze Zeit … “Seuche”.

40 Jahre sind nun auf den Tag genau vergangen und ich weiß gar nicht wie ich mit allem umgehen soll, mit dieser Krise, mit der Angst, mit dieser drohenden dunklen Wolke über uns. Ich habe große Angst und Sorge und hoffe dass meiner Tochter so ein Schicksal und der Verlust von nahen Verwandten, Freunden oder Eltern erspart bleibt.

29.03.2020 | Hubert P. Klotzeck
Was für eine wundervolle Ruhe, kein Grundrauschen durch Autos, Motorräder, Flugzeuge und die anderen alltäglichen Betriebsamkeiten. Ich habe das Gefühl, dass auch die Menschen nun langsam zu einer guten Ruhe kommen und sich auf den Stillstand einlassen können. Das Tempo unserer Welt reduziert sich enorm und das tut so gut.

Der Preis dafür ist extrem, aber es ist auch ein ganz großes Geschenk.