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Michaela Schiffer

Kunst in Coronazeiten - War wirklich Alles schlecht?...

Michaela Schiffer
Inhaberin des Reiseveranstalters Vivamundo
lebt in Grävenwiesbach

www.vivamundo-reisen.de

Instagram-Account: vivamundo-reisen
Facebook: Frauenreisen


Als Reiseveranstalterin hat mich Corona voll erwischt. Als in den deutschen Medien die ersten Meldungen über Coronafälle erschienen, war ich grade mit den letzten Vorbereitungen für meine Frauenreise nach Indien zum Holi-Festival beschäftigt.

Bei meiner eigenen Anreise in Indien am 02.März 2020 war noch alles in Ordnung, in den nächsten Tagen überschlugen sich jedoch die Ereignisse. Meine Teilnehmerinnen trafen einige Tage später ein und brauchten schon über 4 Stunden für die Einreise, da die indischen Behörden sehr schnell reagierten und mit Maßnahmen wie Fiebermessen und Handdesinfektion begannen. Touristen aus Frankreich und Italien durften zwar noch einreisen, wurden aber in vielen Hotels abgewiesen. Wir hatten mit unserer Reise unglaubliches Glück und waren immer einige Tage an den Sehenswürdigkeiten, bevor diese geschlossen wurden.

Wir erlebten das Taj Mahal im Sonnenaufgang und feierten mit den Einheimischen gemeinsam das buntfröhliche und unbeschwerte Holifest mitten im Krishnatempel in Jaipur. Wir lernten bei einer Familie, wie man einen Sari trägt und dank unseres wunderbaren Reiseführers Lav feierten wir bei seiner Familie am Nachmittag weiter –
unvergesslich….
Die Beiträge von Lav findet ihr hier.


Auch wenn wir nicht richtig barrierefrei sind hier auf unserer Website, so versuchen wir doch, auch Sehbehinderten einen Zugang zu unserem Projekt zu geben. Und deshalb könnt ihr über Klick auf den Pfeil die Statements nun auch hören. Viel Spaß!

Im Ranthambore Nationalpark wurde es dann ein wenig ernster. Wir durften unsere Zimmer erst beziehen, nachdem ein 4-köpfiges Ärzteteam anrückte. Diese fragten allerdings nur, ob wir irgendwelche Symptome hätten; als wir verneinten zogen sie unverrichteter Dinge wieder ab und wir konnten auf unsere Tigersafari gehen.


Erst in der zweiten Woche, die wir in einem Ayurvedaresort in Kerala verbrachten, holte uns Corona ein: die Strände wurden geschlossen um Menschenansammlungen zu vermeiden und wir waren quasi interniert. Das Team kümmerte sich rührend um uns und so war auch das gut zu ertragen, unser Alltag im Resort mit den ayurvedischen Anwendungen, Yoga etc. konnte problemlos stattfinden.
Wieder hatten wir Glück und konnten mit der letzten regulären Air India Maschine zurück nach Deutschland fliegen.

Die Teilnehmerinnen meiner Reise hatten recht wenig von den Entwicklungen mitbekommen – und so erwartete uns in Frankfurt eine andere Welt. Die Geschäfte am Frankfurter Flughafen waren geschlossen und bis auf wenige Abholer war dieser riesige Flughafen menschenleer.
Gespenstisch….


In den nächsten Tagen wurde es turbulent: immer mehr Länder schlossen ihre Grenzen, Flüge wurden storniert und Flughäfen geschlossen. Wir holten unsere Gäste aus den Destinationen zurück, auf unsere Kosten, wie es gesetzlich festgelegt ist. Für manche Gäste mussten wir bis zu 5 Flugtickets kaufen, da die Ereignisse immer unübersichtlicher wurden.

Die nicht abgeflogenen Tickets wurden von den Airlines übrigens bis heute nicht erstattet. Wir mussten zahlreiche Reisen stornieren und unseren Kunden den Reisepreis erstatten; unabhängig davon ob wir unsererseits die Reiseleistung bereits an die Airlines und Leistungsträger erbracht hatten und von dort zum großen Teil nicht zurückerstattet bekommen.

Wir sind unendlich dankbar für unsere Gäste, die ihre Reise nicht storniert sondern auf dieses Jahr umgebucht haben, das hat uns sehr geholfen.
Der gesamte Sommer war mit Stornierungen und Umbuchungen gefüllt, Neugeschäft Fehlanzeige. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich auf einer Demo; die Touristiker demonstrierten in zahlreichen deutschen Städten um auf ihre Lage aufmerksam zu machen – und wir wurden gehört, wenn auch nicht in dem Umfang, wie wir es uns gewünscht hätten.
Wir haben die Soforthilfe und die Überbrückungshilfe I erhalten, die aber bei weitem nicht unseren Verlust decken. Auf die Überbrückungshilfe II warten wir immer noch. Mit den neuesten Entscheidungen unserer Bundesregierung rücken Fernreisen erst in der zweiten Jahreshälfte in den Bereich der Möglichkeiten.

Was macht Corona mit einem Menschen, der sich vor knapp 10 Jahren entschlossen hat, sein eigenes Unternehmen zu gründen und nun in einer Branche arbeitet, die am heftigsten von der Pandemiebetro ffen ist? Denn die touristischen Unternehmen verlieren nicht nur wie die Gastronomen ihr Tagesgeschäft, sondern wir müssen alle Reisen rückabwickeln und den Kunden den Reisepreis komplett erstatten, es ist uns nicht erlaubt auch nur eine geringe Bearbeitungsgebühr zu erheben – und dass, obwohl grade unsere maßgeschneiderten Individualreisen einen immens hohen Arbeitsaufwand bereits vor der Abreise der Kunden bedeuten. Unsere Reisen haben oft eine Vorlaufzeit von über einem halben Jahr, d.h. wir verlieren auch den Verdienst der Monate vor Corona und haben komplett umsonst gearbeitet – das gibt es in keiner anderen Branche.


Nach dem ersten Schock und den hektischen Wochen der Rückführungen unserer Gäste stellte sich natürlich immer wieder die Frage „wie geht es weiter“? Natürlich hofften und hoffen wir immer noch, dass Reisen in absehbarer Zeit wieder möglich sein wird.
Unsere Pläne vermehrt Europareise anzubieten waren bereits weit gediehen, so dass wir recht schnell vergangenen Sommer unseren Online-Europakatalog veröffentlichen konnten, jedoch wurden auch diese Reisen immer schwieriger durchzuführen.
Von unseren Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Destinationen erhielten wir immer dringendere Notrufe, denn in vielen Ländern gibt es kein soziales Netz wie in Europa.

So entschlossen wir uns, einen Online-Shop ins Leben zu rufen, in dem wir nachhaltige Reise-Accessoires und vor allem Produkte aus unseren Zielen verkaufen. So können wir zumindest einige kleine Produzenten und NGO’s unterstützen. Auch hier wirkt Corona erschwerend; aus einigen Destinationen kann momentan nicht oder kaum exportiert werden, die Frachtkosten sind immens gestiegen. Aber wir kämpfen auch hier weiter.


Für unsere Gäste bieten wir virtuelle Reiseabende an und wir arbeiten an weiteren Online-Events wie Kochkursen. Wir legen die Hände nicht in den Schoß….


Nach fast einem Jahr Corona bin ich müde….ich bin müde immer neue panikverbreitende Nachrichten zu hören, ich bin es müde, dass unsere Regierung immer nur auf die gleichen Berater setzt und interdisziplinäre Diskussionen für nicht notwendig gehalten werden. Ich bin es müde, dass der Tourismus immer und immer wieder als Pandemietreiber verschrien wird, was er definitiv nicht ist. Lediglich 1 % aller Neuinfektionen sind auf touristische Reisen zurückzuführen – und davon nachweislich viele auf Familienbesuche in den östlichen europäischen Ländern.

Ich bin müde zu hören, dass die Kulturbranche und die Gastronomie immense Summen in Hygienekonzepte gesteckt haben und nun doch geschlossen bleiben müssen, obwohl es keine Belege gibt, dass diese vermehrt zu Infektionen geführt haben.


Was ich mir wünsche? Einen offenen und objektiven Diskurs, das „über den Tellerrand schauen“ wie andere Länder mit der Pandemie umgehen (siehe Costa Rica; das Land ist seit August 2020 für internationalen Tourismus geöffnet und dank sehr guter Hygienekonzepte und eines sehr guten Gesundheitssystems hat es keine signifikante Erhöhung der Neuinfektionen gegeben; die Wirtschaft funktioniert) und ein Ende der medialen Endzeitstimmung.


Wir werden überleben, zum einen Dank der staatlichen Hilfen, zum anderen aufgrund unserer eigenen Initiativen. Am Ende der Pandemie werden unsere Reserven aufgebraucht sein, unsere Nerven blank liegen (das tun sie jetzt schon) und die Haare noch grauer sein – aber wir lassen uns nicht unterkriegen!